Istanbul – Mein 1.Tag

Ich fliege nach Istanbul, wie oft habe ich das gesagt oder gedacht? Bestimmt an die 100-mal. Doch je öfter ich mir das bewusst gemacht habe, desto irrealer wurde die Vorstellung alleine ohne Eltern in ein fremdes Land zu fliegen. Denn wer kann denn schon sagen, dass er 12 Jahre ist und gerade aus Istanbul kommt? Eben. Aber egal, also stehe ich am 17. März um 8 Uhr am Bahnhof. Ob ich aufgeregt bin? Na klar, ich bin noch nie geflogen geschweige denn in der Türkei gewesen. Ob ich mir Sorgen mache? Aber so was von, wenn meine Freundin nicht über eine Stunde auf mich eingeredet hätte, wäre ich vermutlich nur unfreiwillig hier.

Aber jetzt ist es viel zu spät um sich umzuentscheiden und einen Rückzieher zu machen. Das hier ist jetzt ernst, das wahre Leben eben. Nach dem wir mit fast einer Stunde Verspätung im Flieger sitzen, erkenne ich, dass ich mir über die falschen Sachen Gedanken gemacht habe: ich werde panisch, bekomme Gänsehaut und mir ist irre warm, meine Hände sind glitschig. Ich war noch nie in einem Flugzeug, bin noch nie geflogen und habe Angst, richtig doll Angst.

Die erste Viertelstunde ist gar nicht toll. Ich fühle mich unwohl, aber ich habe ja meine 10 Mitreisenden auf diesem Schüleraustausch die mich alle beruhigen. Noch einmal vielen Dank dafür das ihr alle bei mir wart, ich weiß nicht was ich ohne euch alle machen würde.

Nach fast 3 Stunden sehen wir alle das erste mal Istanbul. Das erste was ich denke ist „Warum um Himmelswillen sind wir in New York?“. Das vermeintliche New York ist natürlich Istanbul und zudem wahnsinnig toll.

Als erstes auf türkischem Boden fahren wir zu unserer Austauschschule. Es ist eine jüdische Schule mit Maschendraht, Sicherheitskontrollen und eigenen kleinen Schulbussen. Dort treffe ich auf meine Austauschpartnerin Esin. Sie ist sehr nett und wir haben einige Gemeinsamkeiten.

Mit ihrer Familie gehe ich essen und fühle mich gut aufgehoben bei ihnen. Für die türkischen Verhältnisse gehen wir früh ins Bett. Als mein Vater um 10 Uhr anruft um zu fragen wie es mir geht, wecke ich Esin wieder auf.

Ich erzähle ihm das der Flug ganz okay war, ich in Asien wohne und jeden Tag den Fluss zwischen Europa und Asien überquere.

Als ich wieder ins Bett zurückgehe wird mir eines klar. Ich kann jetzt nicht schlafen. Es ist so anders hier: lauter, heller. Ich komme nicht zur Ruhe, auch nicht nach Musik und Schäfchen zählen. Ich bin in einer Art Trance. Ich schlafe nicht wirklich, bin aber auch nicht wach. Das ist nach dem gelungenen Flug und einem leckeren Abendessen ein Tiefpunkt mit dem ich nicht gerechnet hatte.