Die erste Kultivierung des Hanfes fand in der Jungsteinzeit (Neolithikum) in China statt. Sie war dort die einzige heimische Faserpflanze . Auf 4200 v. Chr. datierte Tongefäße zeigen bereits Abdrücke von gewebten Stoffen aus Hanf auf ihren Bodenflächen. Lange bevor in Europa die Hanfpflanzen überhaupt bekannt waren, sind sie in China zur Erzeugung von feinen Faserstoffen , ihre Früchte als Nahrungsmittel und die Fruchthüllen für medizinische Zwecke genutzt worden. Die Körnerfrucht wurde im Laufe der Jahrhunderte durch Reis und Soja ergänzt und erst um 600 durch andere pflanzliche Nahrung verdrängt.
Im 8. Jahrhundert v. Chr. wurden die chinesischen Anwendungen der Hanfpflanze von den Skythen übernommen. Aus Funden in ihren Grabmalen sowie aus überlieferten Beschreibungen ihrer Bräuche ist sowohl die Nutzung von farbigen Geweben als auch die als Nahrungsmittel und berauschende Substanz nachgewiesen. HERODOT (490 - 425 v. Chr.) schrieb über die Bewohner des späteren Bulgariens, daß sie Kleidung aus Hanf herstellen konnten, die von der aus Leinen kaum zu unterscheiden gewesen sei.
Im dritten Jahrhundert v. Chr. soll in der heutigen Türkei Hanf für die Seilherstellung angebaut worden sein. Alle Quellen hoben die vorzügliche Eignung des Hanfes für Seile und Stricke hervor, insbesondere für die Zwecke der Seefahrt.
Die ältesten Hanffunde in Europa stammen aus der vorrömischen Eisenzeit (Hallstattzeit) zwischen 800 und 400 v. Chr. Es handelt sich dabei um Seilstücke bzw. Textilfragmente aus Hanfbast, gefunden als Grabbeilage in einem keltischen Fürstengrab bei Hochdorf in der Nähe von Stuttgart. Sie bestehen nicht aus reiner aufbereiteter Faser, sondern aus schmalen Streifen Stengelrinde , die versponnen und anschließend verwebt wurden. Anscheinend waren die vom Lein bekannten Methoden der Faserbehandlung wie die Röste , das Brechen und Hecheln noch nicht auf den Hanf übertragen worden. Dies geschah erst im frühen Mittelalter [41].
Der am weitesten zurück datierbare Stoff aus aufbereiteter Hanffaser stammt aus dem Grab der Merowinger-Königin Arnegunde, die zwischen 565 und 570 in der Kathedrale St. Denis in Paris beigesetzt wurde.
Eine erste schriftliche Nenneung von Hanf findet sich in den Schriften von Karl dem Großen (um 800). In fast allen Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts sind Abbildungen und Beschreibungen von Hanf und seinen Früchten enthalten. Ausnahmslos handelte es sich dabei um die Beschreibung medizinischer Anwendungen -- die Anwendung als berauschende Droge wurde nicht beschrieben [41].
ALEFELD(1866) beschrieb Cannabis sativa L. als eine der wichtigsten Öl- und Gespinstfasern Mitteleuropas. Bei LANGETHAL (1845) wird erstmals die narkotische Wirkung des Blattsaftes , aber auch die beruhigende Wirkung der Mittel beschrieben, die sich aus den Früchten zubereiten lassen. Er erwähnt außerdem die Ölgewinnung und die Nutzung der Fasern, die zwar nicht so fein wie die des Leins aber deutlich haltbarer seien [41].
Der Niedergang des europäischen Hanfanbaus begann im 18. Jahrhundert und beschleunigte sich im 19. Jahrhundert. Ein wichtiger Grund war die Erfindung der Baumwollmaschine, die die Verarbeitung der Baumwolle wesentlich vereinfachte und wirtschaftlicher machte. Flachs und Hanf blieben weiterhin aufwendig in der Verarbeitung und wurden daher allmählich verdrängt. Gleichzeitig wurde mit dem Aufkommen der Dampfschiffe die alte Segelschiffahrt abgelöst und der Bedarf an Hanfseilen für deren Takelage ging zurück.
Im 19. Jahrhundert gelangten aus den damaligen Kolonien neue Faserpflanzen nach Europa: Jute und Sisal . Insbesondere Jute machte dem einheimischen Hanf Konkurrenz. Säcke, Planen, Gurte und Verpackungsmaterial waren wegen der niedrigen Arbeitslöhne in den Kolonien bald nur noch halb so teuer wie die Hanfprodukte .
Die Erfindung der Papiermaschine sowie des chemischen Aufschlußverfahrens für Holz zur Papierherstellung verdrängten sowohl Hanf wie auch Flachs vom Papiermarkt.
Bis 1878 nahm die Anbaufläche für Hanf von ehemals 150.000 Hektar auf nur noch 21.250 Hektar ab. 1915 wurde in Deutschland nur noch auf 417 Hektar Hanf angebaut [21].
1928 beschränkte sich der Anbau von Hanf in Deutschland auf die Gegend zwischen der Unterelbe und der Weser sowie auf das Flußgebiet der oberen Ems. Auch im Havelland, in Baden, Würtemberg, Bayern und Elsaß-Lothringen wurde noch Hanf angebaut, allerdings im Weltvergleich auf einer Anbaufläche von unbedeutender Größe. Mit Abstand die größten Anbaugebiete lagen zu jener Zeit in China, Rußland und Indien [41].
In den beiden Weltkriegen spielte der Hanfanbau sowohl in Deutschland als auch in den USA eine bedeutende Rolle. Die USA waren durch Japan als Kriegsgegner von den asiatischen Fasermärkten abgeschnitten und initierten eine Kampagne, die die amerikanischen Farmer zum Anbau von Hanf bewegen sollte [28].
Deutschland war ebenfalls von den überseeischen Rohstoffmärkten abgeschnitten und muß die bisher importierten Mengen an Sisal , Jute und Baumwolle durch den einheimischen Hanf ersetzen [28].
Dieser Handlungszwang führte in relativ kurzer Zeit zu Innovationen in Anbau-, Ernte- und Verarbeitungstechniken. Die Kotonisierung wurde entwickelt, ein Verfahren zur Herstellung von sehr feinen, weichen Fasern, welche in der Materialbeschaffenheit und den Verarbeitungsmöglichkeiten der Baumwolle ähnlich sind. Daher lassen sie sich auf Baumwollmaschinen verarbeiten und erfordern keine Neuentwicklung von Spinn- und Webmaschinen.
Trotz der Anstrengungen, den einheimischen Hanfanbau zu forcieren, um den Textilbedarf der Kriegsmaschinierie decken zu können, reichte die produzierte Hanfmenge nicht aus. Die Anbauflächen im damaligen Deutschland waren zwischen 1933 und 1940 auf 21.000 Hektar angewachsen. Dennoch mußte im Jahr der ertragsreichsten Ernte (1941) über 80 % der benötigten Rohfaser aus Italien importiert werden [28].
Nach dem Krieg traten die synthetischen Fasern der Petrochemie ihren Siegeszug an. Sie übertrafen den Hanf in seiner traditionellen Domäne , der (Naß-)Reißfestigkeit. Nachdem es der chemischen Industrie auch gelungen war, die Pflanzenöle als Farb- und Lackbasis zu ersetzen, wurde Hanf kaum noch benötigt. Nur noch in wenigen Marktnischen wurde er daraufhin verarbeitet, so z. B. zu Zigaretten- und Teebeutelpapier, Dichtungsmaterial oder zu Bindfäden.
Fasern und Öl wurden fortan aus Übersee importiert oder durch die chemische Industrie günstiger hergestellt. Für die Landwirtschaft wurde der Anbau von Nahrungsmitteln auf den ehemaligen Hanf-Anbauflächen profitabler (vgl. Kap. ). Lediglich in Osteuropa wurde Hanf weiterhin angebaut und nach den traditionellen Methoden der Wasserröste aufgeschlossen. Auch heute ist in diesen Ländern noch Hanfanbau aktuell. Aufgrund der mit der Röste verbundenen hohen Abwassermengen ist das Verfahren allerdings im Umbruch begriffen [21]. Heute werden die Rösteabwässer entweder nach dem Stand der Technik geklärt oder als Dünger auf die Felder gebracht.
In Deutschland fand nach der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) 1981/82 praktisch kein Hanfanbau zur kommerziellen Verwertung mehr statt. Der letzte Hanfbauer hat 1982 in einem gerichtlichen Vergleich für eine Ausgleichszahlung seinen Anbau eingestellt. Lediglich Rübenzüchter bekamen seitdem unter strengen Auflagen Ausnahmegenehmigungen, um die Hanfpflanze als Blütenstaubisolator zwischen ihren Feldern anzubauen [21].
Zeitlich parallel dazu verläuft seit Anfang der 80er Jahre eine Rückbesinnung auf pflanzliche Rohstoffe . Die Landwirtschaft, Umweltschützer und auch die Industrie bekunden seitdem zunehmendes Interesse an nachwachsenden Rohstoffe, sei es
Zunächst wurde der Raps verstärkt zur Ölnutzung, dann auch der Flachs seiner Faser wegen angebaut. Von 1987 an stieg die Flächennutzung für nachwachsende Rohstoffe von 627 Hektar bis 1991 auf 7994 Hektar an [21]. Aufgrund von vorschnellen und falschen Entscheidungen und daraus resultierenden fehlenden Absatzmöglichkeiten, ging in den Folgejahren die bebaute Fläche wieder zurück. Trotzdem werden seitdem viele weitere Pflanzen auf ihre Eignung hin überprüft und z. T. schon neue Verarbeitungstechnologien entwickelt.
Der Hanf wurde dabei zunächst nicht beachtet, weil wegen der restriktiven Haltung des dafür zuständigen Bundesgesundheitsamtes keine Anbaugenehmigungen erteilt wurde. Aus diesem Grund sind die heutigen Aufschluß- und Verarbeitungstechnologie für Hanf auch noch weitgehend auf dem Stand der späten 40er Jahre. Erst seit etwa zwei Jahren, ausgelöst durch die Veröffentlichung des Hanfbuches [28], ist die Nutzung von Faserhanf wieder Forschungsthema.
Die Landwirte erhoffen sich vornehmlich eine Sicherung ihrer Einkommen. Der Subventionsabbau und die Flächenstillegung bedrohen ihrer Existenz. Wenn sie hingegen Flächen aus der Nahrungsmittelproduktion nehmen und darauf z. B. Hanf anbauen, beziehen sie die Stillegungsprämie und die Subvention für den Anbau pflanzlicher Rohstoffe. Findet sich dann noch ein Abnehmer für die Ernte, ergibt sich eine weitere Einnahmequelle.
Inzwischen (Januar 1996) ist die Gesetzeslage geändert: EU-konformer Faserhanf mit einem THC-Gehalt von unter 0,3 % darf in Deutschland wieder angebaut werden. Was auf den ersten Blick als großer Sieg der Hanfbefürworter aussieht, kommt eventuell zu früh. Wenn im Spätsommer deutscher Hanf zur Verfügung steht, ist es zur Zeit noch ungewiß, ob bis dahin eine Verarbeitungsanlage betriebsbereit sein wird. Das Unternehmen ECCO Gleittechnik aus Seeshaupt ist laut eigenen Angaben im Begriff, eine Pilotanlage für ihr Ultraschallaufschlußverfahren zu bauen.
Falls diese nicht rechtzeitig in Betrieb gehen kann und auch keine sonstige Verarbeitungsmöglichkeit besteht, droht dem Hanfanbau ein ähnliches Schicksal wie dem Flachs seinerzeit.