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Allgemeine Bedeutung der Rohstoffpflanzen

Historisch gesehen waren nachwachsende Rohstoffpflanzen   in der vorindustriellen Zeit generell zur Gewinnung von Ausgangsprodukten für alle Lebensbereiche  angepflanzt worden. Dies umfaßte sowohl den Anbau  von Nahrungsmitteln , die Gewinnung von Heilmitteln  und Arzneien als auch die Nutzung  als Baustoff . Seit dem Beginn des industriellen Zeitalters aber verlagerte sich das Interesse an pflanzlichen Rohstoffen auf die  Nahrungsmittelproduktion .

Je mehr die Petrochemie an Bedeutung gewann, desto weiter sank die Nachfrage nach Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen. Die industriell gefertigten Produkte waren billiger, als die in lohnintensiver Handarbeit gewonnenen Agrarerzeugnisse. Es wurden daher weniger Tiere zur Bestellung von Äckern benötigt. Vorher für die Futtermittelproduktion genutzte Flächen gingen in die Nahrungsmittelproduktion. Die Züchtung ertragreicherer Sorten und der Einsatz des neuen synthetischen Düngers führten zu flächenbezogenen Ertragssteigerungen [31].

Nach dem zweiten Weltkrieg  war in der Zeit des Wiederaufbaus die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln  vorrangig. Die schnelle Entwicklung  der Nahrungsmittelerzeugung hatte in den ersten Gründungsjahren der Europäischen Gemeinschaft (EG)  politische Befürworter, da für die stark wachsende Bevölkerung mehr Lebensmitteln benötigte und in der Zeit des kalten Krieges eine Sicherungsfunktion für Krisensituationen gewünscht wurde. Gleichzeitig fand eine Orientierung der Agrarpolitik  auf einen Agrarprotektionismus   hin statt, der sich in der Stützung der Inlandspreise   und einem Schutz des Außenhandels   äußerte [31].

Nach und nach führte die zunehmende Überproduktion  zu steigenden Belastungen der öffentlichen Haushalte  durch Interventions- und Subventionskosten  . Der darauf folgende Subventionsabbau  führte dazu, daß Flächen  für den Nahrungsmittelanbau stillgelegt wurden (1991-92 etwa 800.000 ha in der BRD [28]) und die Landwirte Prämien für jeden aus der Produktion genommenen Hektar   Land erhielten. Es wurde darüber hinaus die intensivere Forschung  und Entwicklung   im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe  gefordert, um der Landwirtschaft alternative Verwendungszwecke für das Brachland  bieten zu können [31].

Parallel wurde wegen der Ölpreisschübe von 1973 und 1979 verstärkt über die Verteuerung fossiler Energieträger,  deren absehbarer Endlichkeit und ihrer schwerpunktmäßigen Verteilung über die Erde diskutiert. Gerade wegen des letztgenannten Umstandes und der daraus erwachsenden potentiellen politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Erzeugerstaaten, kamen Fragen nach einer stabilen und gesicherten Energieversorung  auf [31].

Die chemische Industrie bekundet seitdem zunehmendes Interesse an nachwachsenden Rohstoffen aus heimischer Produktion bzw. aus der innerhalb der EG . Sie deckt derzeit etwa 10 % ihres Bedarfes an organischen Rohstoffen  aus Pflanzen, wobei hiervon 90 % aus Übersee importiert werden. In der Belieferung der chemischen Industrie mit organischen Rohstoffen liegt daher eine neue Absatzmöglichkeit  für heimische  Agrarerzeugnisse [31, 32]. 

Die Gründe für das gestiegene Interesse der chemischen Industrie an nachwachsenden Rohstoffen mögen Standort- und Arbeitsplatzsicherungsmaßnahmen sowie die zunehmende Entsorgungsproblematik  um Produkte auf petrochemischer Basis sein. Hier seien besonders die Kunststoffe  genannt, für die lange Zeit keine geeigneten Trennverfahren  aus dem Abfallstrom  bestanden und die deshalb lediglich der energetischen Verwertung  zugeführt werden konnten [28]. Dieser nur z. T. noch bestehende Umstand ist einer von vielen Kritikpunkten an der Nutzung  petrochemischer Produkte, die von Gruppen der Umweltbewegung  und immer weiteren Teilen der Bevölkerung geäußert werden [15].

Die biologische Grundlage für die Regenerierbarkeit  der Rohstoffpflanzen  ist die Photosysthese. Obwohl der energetische Wirkungsgrad  dieses Prozesses  nur bei 0,13 % (in Ausnahmen auch bei 5 - 6 %) liegt, ist er doch für die gesamte Primärproduktion  verantwortlich: 99,9 % der gesamten organischen Substanz auf der Erde ist pflanzlicher Natur [33].

Für die Nutzung  durch den Menschen ist von Nachteil, daß die Eigenschaften  der Rohstoffpflanzen bzw. die aus ihnen gewonnenen Produkt andere Materialien  bisher nur teilweise oder schlechter ersetzen können. Allerdings ist seit dem Aufkommen der synthetischen Fasern die werkstoffkundliche Forschung  und Entwicklung  an natürlichen Rohstoffen unterblieben. Wegen der zum damaligen Zeitpunkt ungeahnten Möglichkeiten, die die neuen Werkstoffe boten, gerieten die traditionellen Stoffe allmählich in Vergessenheit. Dabei treten ihre, für die heutigen Umweltprobleme  relevanten Eigenschaften, schnell   zutage: Bleiben die genutzten Pflanzenbestandteile in dem fertigen Produkt weitgehend unverändert in ihrer Struktur, können sie nach der Nutzung   meistens unkompliziert durch z. B. Kompostierung gif entsorgt werden [34].

Unterschieden werden Rohstoffpflanzen  in Energie- und Industriepflanzen.   Bei ersteren dient die gesamte Pflanze oder auch nur Teile von ihr nach Durchlaufen mehrerer Konversionsschritte   (Auspressen, Vergären, Verbrennen etc.) der Energiegewinnung. Aus Industriepflanzen werden die gewünschten Substanzen oder Fasern aus der Erntemasse  oder dem Pflanzengewebe   herausgelöst und dienen als Grundstoff für weitere Produkte. Es sind aber durchaus Pflanzen sowohl als Energie- als auch als Industriepflanze nutzbar, z. B. Hanf, Raps  o. ä. [31]. Ebenso ist die Nutzung  von Pflanzenresten oder -abfällen aus anderen Produktionslinien, z. B. in Form von Biogasgewinnung,  möglich.

Trotz aller genannten Vorteile von Rohstoffpflanzen  sind die aus ihnen gewonnenen Produkte nicht a priori umweltverträglich.  Häufig kann die zur Deckung eines bestimmten Bedarfes nötige Trockenmasse   der betreffenden Pflanze nur durch den Anbau  in Monokulturen   erzeugt werden. Um den erforderlichen Ertrag  zu gewährleisten, werden Kunstdünger   eingesetzt, die ihrerseits in der Produktion wertvolle Ressourcen  benötigen und zum Teil erhebliche ökologische Folgen haben (Distickstoff-Emissionen). Die Selbstverträglichkeit   der Monokulturpflanze ist meistens wegen der Züchtung auf Maximalertrag  nicht hoch. Anstatt eine Fruchtfolge einzurichten, wird um des Ertrages willen die Pflanze dennoch auf der gleichen Fläche wieder angebaut. Daraus erwächst wiederum die Notwendigkeit des Dünger- und Pestizideinsatzes  mit allen genannten Nachteilen.




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Kai Altenfelder
Sat Jul 11 00:38:57 MET DST 1998
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