Die Reißfestigkeit (technisch: Höchstzugkraft bzw. Höchstzugspannung) einer Faser ist bestimmt durch die maximale Spannung, die durch eine axial an der Faser angreifende Kraft erzeugt wird. Diese Spannung bewirkt eine Verformung der Faser, mit der eine Querschnittsverringerung einhergeht. Der Zusammenhang zwischen Kraft und Verformung wird in Kraft-Dehnungs-Diagrammen für das jeweilige Material wiedergegeben.
Steigert man die Zugbeanspruchung kontinuierlich, wird zu einem stoffspezifischen Zeitpunkt die Höchstzugkraft-Dehnung der Faserprobe überschritten und sie bricht. Bei der Beschreibung von Faserfestigkeiten steht im allgemeinen die Höchstzugspannung im Vordergrund. Da diese bei der Anwendung im textilen Bereich meistens nicht einmal annähernd erreicht wird, benutzt man immer häufiger die Dehnung als Vergleichsgröße (s. Verspinnbarkeit). Besonders interessant ist dabei das Dehnungsverhalten unterhalb der Höchstkraft-Dehnung bei Berücksichtigung der Einwirkdauer. Es beschreibt die elastischen und plastischen Eigenschaften der Faser sowie deren dynamisch-mechanisches Verhalten. Letzteres ist bei den im Gebrauch oft vorkommenden Wechselbeanspruchungen besonders wichtig.
In der Tabelle sind sowohl für Baumwolle als auch für Hanf verschiedene, aus der Literatur entnommene, werkstoffkundliche Werte aufgeführt.
Tabelle:
Stoffwerte für Baumwolle und Hanf. Quelle: [28, 10], eigene Umrechnungen
Es sind darin sowohl feinheits- sowie querschnittsbezogene Höchstzugkräfte bzw. -spannungen als auch die zugehörigen Höchstzugkraftdehnungen angegeben. Diese Werte weichen erheblich von der theoretischen Festigkeit ab, die vom gleichmäßigen Tragen aller Hauptvalenzbindungen innerhalb der Faser ausgeht. Für Zellulose ergäbe sich dabei eine theoretische Festigkeit von 8000 N/mm [10]. In der Praxis sind aber die Hauptvalenzen nicht für die Festigkeit entscheidend. Vielmehr werden bei Zugbeanspruchung die Kräfte über Nebenvalenzbindungen zwischen den Kettenmolekülen übertragen, was zu einer ungleichmäßigen Beanspruchung der Hauptvalenzen führt. Im Idealfall des kristallinen Grades (s. Seite ) von 100 %, d. h. der ideal parallelen Lage der Ketten, ist ein rechnerischer Widerstand von 2000 N/mm gegen das Abgleiten der Ketten zu erwarten. Real ist bei Zellulose aber ein kristalliner Grad von 70 Prozent, damit liegt ein Zweiphasensystem vor, welches maximal 800 N/mm erträgt [10].
Bei der Angabe der Dichte ist zu beachten, daß diese durch wechselnde Luftfeuchte (normal: = 65 %) oder durch nachfolgende Veredelung der Faser noch ansteigen kann.