Durch die Entdeckung Amerikas wurden neben neuen Rohstoffquellen auch riesige Anbauflächen erschlossen, die sich durch ein Klima auszeichneten, das für den Baumwollanbau vorteilhaft ist. In der neuen Welt waren schon wilde Baumwollpflanzen heimisch, so daß sich eine Baumwollindustrie rasch entwickeln konnte. Aufgrund der harten Arbeit und des für weiße Europäer ungewohnten Klimas fanden sich bald immer weniger Arbeiter, die für den relativ geringen Lohn auf den Baumwollplantagen arbeiten wollten. Deshalb wurden schwarze Sklaven aus Afrika entführt (,,schwarzes Gold``) und zur Arbeit gepreßt.
In Europa kam es, begünstigt durch den dreißigjährigen Krieg, zur Ablösung von Augsburg als der führenden Verarbeitungsstätte . Die englische und flandrische Textilindustrie waren fortan führend in der Baumwollverarbeitung. Mit der Gründung der englischen Ost-Indien-Kompanie wurden ständig größere Mengen an Rohbaumwolle und Halbware aus den Erzeugerländern bezogen. Wegen des großen Angebotes fiel der Preis stetig. Trotz der hohen Kosten für den Seetransport wurde so Englands heimische Flachs- und Schurwollindustrie langsam vom Markt verdrängt.
Der weitere Bedeutungsgewinn der Baumwolle war mit dem Voranschreiten der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert verknüpft:
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Baumwolle dann einen Anteil von 75 Prozent am jährlichen Weltfaserverbrauch . Etwa ab Mitte der siebziger Jahre wurden die synthetisch erzeugten Fasern billiger als Naturfasern und die Anteile am Faserverbrauch verschoben sich zu ihren Gunsten.
Der Anbau der Baumwolle geschieht zum größten Teil in Entwicklungs- oder Schwellenländern. Die flächenmäßig größten Anbaugebiete liegen in Indien mit 7,8 Millionen Hektar , gefolgt von China mit 5,5 Mio. Hektar, den USA mit 4,8 Mio. sowie Brasilien und Peru mit jeweils 2,6 Mio. Hektar. Oftmals sind diese landwirtschaftlichen Flächen besser zur Erzeugung von Lebensmitteln geeignet. Vielfach sind die Böden aber auch schon derart verbraucht, daß nur noch Kunstdüngergaben überhaupt Pflanzen darauf gedeihen lassen.
In Ägypten, dem Sudan und dem Tschad stellt Baumwolle den wichtigsten Exportartikel dar. Für Pakistan, den Iran, die Türkei und Syrien ist sie die wichtigste Devisenquelle . Dort sind die Farmer immer wieder auf erfolgreiche Ernten angewiesen, meistens unter Einsatz aller verfügbaren Mittel. Die Agrarchemikalien müssen teuer aus den westlichen Industriestaaten eingekauft werden bzw. werden von westlichen Unternehmen vor Ort produziert. Da in den genannten Ländern in der Regel wesentlich weniger strenge Umweltgesetze bestehen, wird in den Chemiewerken zur Erzeugung von Pflanzenbehandlungsmitteln meistens nicht der Sicherheitsstandard eingehalten, der im Westen einzuhalten wäre. Dies ist für die Betreiberfirmen von wirtschaftlichem Vorteil, kann aber im Störfall zur Katastrophe führen, wie der Unfall im Werk von Union Carbide im indischen Bhopal zeigte.
Die 32 Mio. Hektar, auf denen weltweit Baumwolle angebaut werden, entsprechen 0,8 % der landwirtschaftlich nutzbaren Anbaufläche der Erde. Auf ihnen werden 853.000 Tonnen (18 % des weltweiten Verbrauches/Jahr) Pflanzenbehandlungsmittel ausgebracht - dies entspricht 26 kg/ha pro Jahr. Laut einer Befragung mexikanischer Landwirte machten 1985 die Ausgaben für chemische Erzeugnisse zum Pflanzenschutz 47 % der gesamten Anbaukosten aus [16].
Abbildung 3.8: Pestizidausbringung
auf einem konventionell angebauten Baumwollfeld in Kalifornien. Quelle:
Zach Griffin/Patagonia
Bei einem unterstellten guten Jahresertrag von einer Tonne Baumwollfaser
je Hektar Land (vgl. Tab. )
könnten jährlich 32 Mio. Tonnen Rohbaumwolle produziert werden.
Das International Cotton Advisory Committee (ICAC) gibt die 1995/96
produzierte Menge aber mit 19,2 Mio. Tonnen an. Bei einem derzeitigen (Dezember
'95) Preis für Baumwolle von 2,60 DM/kg ergibt sich so ein Verlust
von etwa 33,3 Mrd. DM pro Jahr, verursacht durch Schädlinge und Mißernten.
Um den ausländischen Betrieben wirtschaftlich attraktive Angebote unterbreiten zu können, sind die Arbeitsbedingungen in den Erzeugerländern, gemessen an westlichen Standards, häufig katastrophal. Die Regierungen vieler Länder haben Exportförderungszonen eingerichtet, in denen Löhne willkürlich festgelegt sind, keinerlei Arbeitsschutzmaßnahmen ergriffen werden und Gewerkschaften nicht existieren oder keine Handhabe haben. In der ,,Katunayake Free Trade Zone`` auf Sri Lanka arbeiten 85.000 der insgesamt 400.000 Bekleidungsarbeiter an sechs Tagen in der Woche täglich zehn Stunden. Sie verdienen umgerechnet DM 75,- monatlich, haben keine Rechte und sind jederzeit fristlos kündbar. Viele der Arbeiter sind Kinder unter vierzehn Jahren [40]. Allein für die Baumwollkultivierung, ohne die anschließende Arbeitsschritte Entkernen , Schälen und Ölpressen, werden für Ägypten, Sudan, China, Indien und Pakistan zusammen etwa 10 Millionen Arbeitsplätze geschätzt. Diese Schätzung beruht auf der Annahme von 1500 benötigten Arbeitskraftstunden (Akh) pro Hektar im Bewässerungsanbau und jährlich 2200 Arbeitsstunden pro Arbeitsplatz. Die Löhne in der Primärproduktion in Indien und Pakistan liegen derzeit bei etwa DM 0,10 bis DM 0,15 je Stunde [11].