Ich hatte ja gewusst, dass die Zeit am Wochenende knapp sein würde. Dass sie sooo knapp sein würde, hatte ich aber nicht geahnt.
Nachdem Antenne und Mantelwellensperre rechtzeitig fertig geworden waren, wollte ich das Konstrukt eigentlich am Freitag nachmittag fertig aufgebaut haben. Schließlich war nicht damit zu rechnen, dass meine grob auf Länge gebrachte Antenne auf Anhieb im gewünschten Frequenzbereich resonant sein würde. Erst recht nicht angesichts des alles andere als idealen Aufbauortes: Tannen direkt neben dem Vertikalteil, ein Metall-Gerätehaus quasi am Fußpunkt der Antenne und das Haus mit all seinen Regenrinnen und Fallrohren auch nur drei, vier Meter entfernt.
Bis zum Mittag wollte ich noch im Büro arbeiten und die Schulung vorbereiten, die ich am Sonnabend in Kassel halten müsste. Dann zwischen Mittag und Abreise die Antenne aufbauen und ggfs. längen oder kürzen. Natürlich kam es anders. Die Schulungsunterlagen waren dann doch nicht rechtzeitig fertig, es mussten noch Rahmenbedingungen organisiert werden und einiges mehr. Das Mittagessen fiel aus und ich blieb bis 15 Uhr im Büro. Dann schnell nach Hause, Klamotten packen und um 16 Uhr fuhr ich nach Kassel.
Die Schulung am nächsten Tag verlief gut, aber mit Nachbesprechung und Manöverkritik wurde es doch 18:30 Uhr am Samstag, bis ich mit dem Auto wieder in Kassel loskam. Schneetreiben hatte eingesetzt. Macht nichts, die Autobahnen werden ja immer als erstes geräumt. Dachte ich. War aber nicht so.
Zeitweilig war die linke Spur knöchelhoch mit Schnee bedeckt, die andere(n) nur in den ausgefahrenen Spurrinnen befahrbar. Dann ging nicht mehr als 60 km/h. Erst ab dem Dreieck Walsrode wurden die Straßenverhältnisse besser und so war ich um 22 Uhr zu Hause.
Dort waren die Vorbereitungen für den Familienbesuch anlässlich Tjarkos Geburtstag noch in vollem Gange. Ich half mit und um Mitternacht war der Tag dann zuende. Die Antenne lag nach wie vor jungfräulich im Shack. Meine ursprüngliche Wunschvorstellung, schon in dieser Nacht im Contest mitzumischen, war in der Realität angekommen.
Am nächsten Morgen, dem Sonntag, wurden die restlichen Vorbereitungen für die Familienfeier getroffen. Um 10:30 Uhr war dann alles fertig und ich konnte mich um die Antenne kümmern. Zunächst den langen Schenkel der Windom vom Mast nehmen und den sperrigen und knickempfindlichen DX-Wire so im Beet drapieren, dass weder jemand darüber fällt noch der Draht Schaden nimmt.
Dann den neuen Draht für die Inverted-L vorsichtig radial abrollen, um auch hier Knicke zu vermeiden. So etwas macht man am besten zu zweit, damit der Draht unter leichter Spannung gehalten werden kann und sich nicht sprungartig abwickelt und dabei spontan verspleißt. Ich war aber allein und so dauerte das entsprechend länger.
Als nächstes habe ich den Spieth-Mast mit dem Vertikalteil der Antenne errichtet. Der Isolator, durch den der Draht oben gehalten und dann in die Horizontale geführt wird, sitzt etwa 40cm unterhalb der Mastspitze. Damit das oben an den vollen zehn Metern fehlende Stück ausgeglichen wird, setze ich den Fiberglasmast auf ein Meterstück Stahlmast. An der entgegen gesetzten Öse des Isolators habe ich Abspannleine befestigt, um Mast und Antenne auf Spannung ziehen zu können. Leider hat sich diese Leine mit dem DX-Wire beim Hochziehen verheddert. Um sie zu entwirren, müsste ich den Mast wieder einholen.
Dafür ist aber nun keine Zeit mehr, ich muss die ersten Gäste vom Bahnhof abholen. So steht der Antennenmast mit dem nur schlapp gespannten Draht, angeschlossener Mantelwellensperre und Koaxkabel, aber noch ohne Radialnetz. Ich bin frustriert. Die Aussicht auf eine Teilnahme zumindest in den Abendstunden schwindet.
Der Geburtstag verläuft, wie Geburtstage so verlaufen. Man isst, man unterhält sich, es wird gelacht und gescherzt. Den Contest habe ich innerlich abgehakt. Erst nachdem alle Gäste am Abend wieder weg sind, denke ich wieder daran. Macht das jetzt noch Sinn? Ich gehe ins Shack und nehme einen ersten SWR-Test der Antenne vor – es liegt im gesamten Band bei unendlich. Natürlich, das Radialnetz ist ja noch nicht angeschlossen, kann ja gar nicht gehen!
Wie auch immer, erst muss alles wieder aufgeräumt werden. Gegen 19:30 Uhr ist das soweit. Natürlich ist es draußen längst dunkel, das Hoflicht würde kaum ausreichen, die fehlenden Arbeiten angemessen auszuführen. Egal, ich versuche es.
Ich hole die aufgerollten Radiale aus dem Shack und gehe nach draußen. Mit klammen Fingern – noch friert es – schraube ich die Kabelösen an die vorbereitete Befestigung am Erdspieß, an der alle Radiale zusammen laufen. Im Dunkeln gehen mir ein oder zwei der kürzeren Drähte dabei verloren. Hilft nichts, dann müssen die neuen, 20 Meter langen Drähte es eben heraus reißen.
Beim Versuch, das erste Radial von der Drahtrolle abzuwickeln, passiert mir das, was ich tagsüber beim DX-Wire befürchtet hatte. Einige Windungen des sperrigen Kabels (Litze, kein Volldraht!) rutschen mir aus den kalten Fingern und verspleißen sich. In Sekundenschnelle halte ich ein Kabelknäuel in den Händen, dass ich im Dunkeln ohne Gefühl in den Fingern nicht wieder entwunden bekommen. Verdammt!
Bei den nächsten drei Radialen bin ich doppelt vorsichtig und schaffe es, sie geradlinig auszulegen. In Summe habe ich schließlich drei Radiale à 20 Meter, eines von 15 Metern Länge und nochmal eine Handvoll mit Längen zwischen einem und fünf Metern.
Was soll’s, die Antenne ist sowieso nicht resonant, daran werden auch die paar Meter Draht nichts mehr ändern. Durchgefroren gehe ich rein. Es ist 20:30 Uhr, der Tatort läuft schon. Der besten Ehefrau von allen verkünde ich, dass ich gerne noch der Form halber die Antenne ausprobieren möchte. Vermutlich würde sie aber sowieso nicht funktionieren und dann wäre ich in einer Viertelstunde wieder zurück. Nur im ganz unwahrscheinlichen Fall, dass sie funktioniert, würde ich länger bleiben. Genehmigt. Danke.
Im Shack drehe ich den FT-1000MP an und schalte auf 160 Meter. Der Contest läuft noch, ich kann bei Drehen über das Band jede Menge Stationen hören. Dann der zweite SWR-Test an diesem Tag, jedoch der erste mit wirklich fertig (na ja) gestellter Antenne.
Was ist das? Ein Wunder! Die Antenne ist resonant! Zumindest resonant genug, das der Tuner im Transceiver nicht meckert, sondern sich in allen Bereichen des Bandes die Antenne schön dreht. Zum Ende hin wird das SWR dann schlechter, aber was soll`s?
Vor fünf Minuten dachte ich noch, dass wirklich alle Liebesmühe umsonst gewesen wäre. Nun habe ich etwas vor mir, dass allem Anschein nach tatsächlich die Bezeichnung Antenne ansatzweise verdient.
Rechner hochfahren, Logprogramm für den richtigen Contest einstellen und los geht’s! Nach dem ganzen Aufwand wollte ich zumindest das gleiche Ziel wie DK1AX erreichen, dessen Mail auf dem BCC-Reflektor ich am Sonnabend morgen mit Belustigung gelesen hatte. Olympischer Gedanke – dabei sein ist alles, zehn oder zwanzig QSOs würden reichen.
Tja, was soll ich sagen? Die ersten zehn Verbindungen hatte ich in acht Minuten im Log. Unglaublich, ich werde auf 160 Meter mit dieser Antenne gehört! Die zwanzig QSOs hatte ich weitere 12 Minuten später im Log. Was nun, aufhören? Nein, ein bisschen geht noch.
Wagemutig setzte ich mir das nächste Ziel auf 50 Kontakte. Das hatte ich um 21:01 UTC erreicht. Eine Stunde noch bis Contestende, nun kann ich auch weiter machen. Um 21:58 UTC kommt die letzte Verbindung ist Log, Nummer 83. Ich bin völlig von den Socken, das hatte ich wirklich nicht gedacht. Und ich freue mich darüber!
Am nächsten Tag kann ich bei Tageslicht sehen, wie mein Gebilde tatsächlich aussieht. Windschief, schlapp durchhängender Draht und ein Radialnetz mit übereinander statt nebeneinander liegenden Drähten.
Für mich wirklich ein kleines Wunder, dass die Antenne überhaupt funktioniert hat. Wie der Contest wohl verlaufen wäre, wenn ich mit ausreichend Vorbereitungszeit alles hätte richtig machen können? Auf jeden Fall habe ich genug Ansatzpunkte, um beim nächsten Einsatz der Antenne noch zu optimieren.