Linux im Amateurfunk - was gibt es neues?


Dipl.-Ing. Kai Altenfelder, DL3LBA


Die letzte Artikelserie in der CQ DL zum Thema Linux und Amateurfunk liegt eine ganze Weile zurück [1]. Daher ist es meines Erachtens an der Zeit den Fragen nachzugehen, welche Entwicklung das Open Source Betriebssystem seitdem durchgemacht hat und inwiefern Funkamateure davon profitieren.


Ganz allgemein hat sich in den letzten vier Jahren viel in Sachen Linux getan. Der Kernel als das Herzstück des Betriebsystemes liegt inzwischen in der stabilen Version 2.2.14 bzw. der Entwicklerversion 2.3.40 vor und der Versionssprung auf 2.4 wirft bereits seine Schatten voraus. Viele Treiber für aktuelle Hardware haben Einzug in den Kernel gehalten, unzählige neue Optionen und Möglichkeiten stehen dem Linux Anwender offen. Wenngleich dies für Funkamateure vermutlich nur nebensächlich interessant ist, soll doch zumindest erwähnt werden, daß Linux mittlerweile auf mehrere Hardwareplattformen portiert worden ist. Das heißt, daß ein Benutzer sich auf Maschinen mit 68k-, Alpha-, Arm-, Mips-, PowerPC- oder Sparcprozessoren auf der gewohnten Linux Oberfläche bewegen kann und eventuell den Unterschied zum i386-Prozessor nicht einmal bemerkt. Einhergehend mit diesen Portierungen ist die Multiprozessorunterstützung (SMP) von Linux deutlich verbessert worden, so daß das Betriebssystem allmählich als »erwachsen« angesehen werden kann.


Nach wie vor ist Linux durch seine Stabilität und Konfigurierbarkeit vor allem als Serverbetriebssystem prädestiniert. Über 30% aller weltweit installierten Webserver im Internet sind linuxbasiert, auch eine Vielzahl von Packet Radio Mailboxes, DX Cluster und Digipeater laufen inzwischen darunter. Gleichzeitig zielen die großen Linux Distributoren auf den Einsatz als Desktopbetriebssystem ab, um über den Massenmarkt mehr Verbreitung zu erlangen.



In den letzten Jahren wurden von der Entwicklergemeinschaft erhebliche Anstrengungen unter­nommen, um Linux für den Nicht-Informatiker bedienbar zu machen. Das fängt bei der einfache­ren Installati­on von CD (inzwischen sogar von DVD) an, die mittlerweile eine au­tomatische Hardwa­reerkennung be­inhaltet. Die meisten Distributo­ren bieten Ihren Kunden heut­zutage die Installati­on mit grafischen Oberflä­chen an, in deren Verlauf nur wenige Mausklicks und die Eingabe von einigen Werten nötig sind, um nach einer knap­pen halben Stunde ein fertig in­stalliertes Linuxsy­stem vor sich zu haben. Ebenso steigt fast täglich die Anzahl von neuen Appliaktionen für Linux, die dem Anwender Schritt für Schritt die Umstellung von anderen Betriebssystemem erleichtern. Die Verfügbarkeit von Standardsoftware wie StarOffice ist in dieser Hinsicht sicher­lich ein Meilenstein gewesen.


Es soll nicht verschwiegen werden, daß die Nutzung von grafischen Installationstools und von Officepaketen unter X Window eine relativ aktuelle Hardware voraussetzen, da für den Betrieb der Benutzeroberfläche eine gewisse Mindestausstattung hinsichtlich Prozessorleistung und Arbeitsspeicher nötig ist. Dennoch ist Linux ein sehr gut skalierendes Betriebssystem, welches prinzipiell auch noch auf alten i386-Prozessoren mit wenig Arbeitsspeicher lauffähig ist. Der Einsatz solcher Altertümer wird sich jedoch sinnvollerweise auf Serverdienste beschränken, bei denen wenig Rechenleistung erforderlich sind (Druckserver, ISDN-Router etc.). Da man in der heutigen Zeit sogar im Tante Emma Laden an der Ecke PC-Komplettsysteme zu erschwinglichen Preisen angeboten bekommt, ist in den meisten Shacks aktuelle Hardware vorhanden.


Welche Neuerungen gibt es nun für den Linux-interessierten Funkamateur?


Linux ist das einzige PC-Betriebssystem, welches in seiner Kernfunktionalität bereits die Unterstützung für das AX.25 Protokoll mitbringt. Seit der Kernelversion 2.2 gibt es eine Reihe von Neuentwicklungen in diesem Bereich. So sind die früher zu verwendenden ax25-utils ersetzt worden durch zwei Pakete ax25-apps und ax25-tools bzw. dem libax25 Paket. Diese neuen Tools

und Applikationen sind der gewandelten Struktur des aktuellen Kernels angepaßt.

Darauf aufsetzend gibt es eine ganze Reihe von komfortablen Programmen für den PR-Betrieb, nicht nur für die alphanumerische Konsole sondern auch für das X Window System. Zu nennen sind LinKT, tnt und GHU als reine Benutzerprogramme, Baycom, DPBOX und F6FBB als komplette BBS-Systeme, TheNetNode und Xnet als Knotensoftware sowie eine Reihe von Werkzeugen allgemeiner Art: 7plus, tfkiss usw.. Spezielle Treiber für besondere Hardware wie EPP-Modems und SCC-Karten sind z.B. baycomepp, z8539drv etc., die entweder schon in den Linux Kernel integriert sind oder sich leicht in das System einfügen lassen.


Mit der allgemeinen Verbreitung von Linux finden sich seit geraumer Zeit mehr Programme für digitale Betriebsarten. Die meisten nutzen dazu die Soundkarte für die Ansteuerung des entsprechenden Funkequipments. Mit dem Progarmm acfax von Andreas Czechanowski, DL4SDC ist beispielsweise der Empfang von Faxen möglich.

Auch für SSTV findet der linux-begeisterte Funkamateur passende Software: qsstv von Johan Maes, ON1MH bedient sich ebenfalls der PC-Soundkarte für Empfang und Sendung der Bilder.

Die relativ neue Betriebsart PSK31 erfreut sich inzwischen hoher Beliebtheit. Für den »Linuxer« kein Grund, auf sein Betriebssystem zu verzichten: Psk31lx von Hansi Reiser, DL9RDZ bietet die grundlegenden Funktionalitäten, twpsk von Ted Williams, WA0EIR setzt auf Hansis Entwicklung auf und erweitert diese um eine ansprechende Bedieneroberfläche.


Will der Linux-Funkamateur den Betrieb über Satelliten abwickeln, kann er sich mit SatTrack von Manfred Bester, DL5KR die Flugbahnen der Trabanten vorherberechnen und anzeigen lassen. Leider ist die letzte frei verfügbare Version (3.1.6) von SatTrack schon etwas älter und nicht 2000-fest, wie sich inzwischen gezeigt hat. Kurz nach Bekanntwerden dieses Umstandes erschien in den Newsgroups des Usenet jedoch ein sogenannter Patch, d.h. eine Nachbesserung des Quellcodes, die ein rühriger Funkamateur kurzerhand selbst geschrieben hat. Alle nachfolgenden Versionen von SatTrack werden weiterhin vom Autoren gepflegt und sind kostenpflichtig von Bester Tracking Systems zu beziehen.


Aufgrund dieser restriktiven Lizenzbestimmungen wurde der Ruf nach einem »freien« Trackingprogramm laut. Mit mtrack von Jonathan Naylor, G4KLX wird diese Lücke geschlossen werden. Das Programm befindet sich noch in der Entwiclung und berechnet in der aktuellen Version erst eine Satellitenbahn pro Zeit. Jonathans ToDo-Liste enthält mit Multisatellitenfähigkeit und Ansteuerung eines Rotorinterfaces aber genau die Features, die man sich von einem Trackingprogramm erhofft.


Dem UKW-Amateur zeigt das Locatorprogramm qgrid, ebenfall von ON1MH, die Richtung und Entfernung zwischen zwei Locator-Standorten. Wahlweise können dabei entweder der Locator oder die geografische Länge und Breite angegeben und umgerechnet werden. Mit dem Programm baken von G4KLX lassen sich die UKW-Baken in Europa nach Bändern getrennt anzeigen: Der Benutzer sieht eine Europakarte, die von einem Gitter überzogen ist. Ein Mausklick in eines der Felder zoomt diesen Bereich größer und beim Überstreichen mit dem Mauszeiger werden nähere Informationen wie Rufzeichen, Frequenz etc. zu den in der Nähe befindlichen Baken angezeigt.


In Deutschland ist die Betriebsart APRS (Automatic Position Report System) noch weitgehend unbekannt, in anderen Ländern jedoch bereits fest etabliert. Hierbei werden Positionsdaten einer Funkstation via Packet Radio Broadcast an andere Stationen übermittelt, die den Standort der aussendenden Station dann auf einer digitalisierten Landkarte angezeigt bekommen. Ist diese Positionsmeldung bei Feststationen schon relativ interessant, so bietet die Verfolgung von bewegten Stationen auf dem Monitor denn ungeahnte Möglichkeiten. Man denke hierbei nur einmal an Fuchsjagden, vom Einsatz im Notfunkbereich ganz zu schweigen. Für Linux stehen mit aprsd als reinem APRS-Server und Xastir als kombiniertem Visualisierungsprogramm dem Anwender alle Möglichkeiten offen.


Dem ambitionierten Bastler steht jetzt mit der Linuxversion von Eagle ein schon von der Windows-Welt gewohnt kraftvolles Platinenlayout Programm zur Verfügung, ergänzt durch Simulationsprogramme für analoge Schaltungen wie spice oder Software für Berechnung und Design von Antennen (NEC).


Für die Stationsautomatisierung durch den PC wird so mancher Funkamateur sich gerne der zahlreichen Programme für die Ansteuerung von Scannern und Transceivern oder der Programmierung von Handfunkgeräten bedienen. Selbst für die Bedienung des WINRadios gibt es erste Ansätze eines LINRadios, wenn auch vorerst nur für den Betrieb an der Konsole.

Da ein Artikel wie dieser immer nur eine Momentaufnahme sein kann, will ich noch auf die Webseiten »Filewatcher« sowie die »Linux Hamradio Applications and Utilities Homepage« verweisen. Sie geben jeweils den letzten Stand der Entwicklung wieder und berichten von neuen Anwendungen. Wer als Funkamateur Hilfe bei der Konfiguration von Anwendungen sucht, findet diese in der Regel auf der internationalen Mailingliste »linux-hams«, auf der auch viele Entwickler vertreten sind, oder in den amateurfunkbezogenen Newsgroups des Usenet.



Was fehlt?


Kontestprogramme wie CT oder TR-Log mit Transceiversteuerung und Cluster-Monitoring für Linux sucht der Funkamateur leider immer noch vergebens. Auch komfortable Logbuch-programme, EMVU-Berechnungssoftware a la »Watt« und dergleichen mehr sind für Linux leider noch nicht verfügbar. Die Gründe hierfür sind verschiedenartig:


Während Messen und Veranstaltungen auf das Thema Linux und eine eventuelle Portierung ihrer Programme angesprochen, reagieren Softwareautoren unterschiedlich: Während manche bereits an der Portierung ihrer DOS- oder Windows-Software arbeiten und erste Betaversionen in Aussicht stellen, zeigen andere sich zurückhaltend. Sie zögern noch und warten die weitere Entwicklung von Linux ab, bevor sie den Aufwand einer Portierung beginnen. Schließlich sind viele Windows Programme in Visual Basic oder Delphi geschrieben und lassen sich unter Linux nicht übersetzen, da es keine entsprechenden Compiler gibt. Diese Lücke wird, zumindest für Delphi, vielleicht bald geschlossen sein, da Borland/Inprise eine Entwicklungsumgebung für Delphi auf Linux angekündigt hat. Doch selbst wenn es keine technischen Hindernisse mehr geben wird, bewährte Windows Software zu portieren, bleibt die Reaktion der Softwareautoren abzuwarten. Schließlich verdienen viele von ihnen sich mit dem Verkauf ihrer Programme ein nettes Zubrot, wenn nicht gar den Lebensunterhalt. Die Idee der freien Weitergabe von Software im Quellcode läßt einige daran zweifeln, ob sie auch mit einer Linuxversion weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein werden. Nachdem jedoch etliche Softwarehersteller mit ihren kommerziellen Produkten auch im Linuxmarkt gute Umsätze erzielen, sollte diese Sorge unbegründet sein. Zur Not muß der Linuxanwender eben auf Produkte wie Vmware zurückgreifen, die ihm den Einsatz eines fremden Betriebssystemes samt Anwendungen innerhalb von Linux gestatten.


Kai Altenfelder, DL3LBA

Links im Web:

Linux Kernel Archiv

http://www.kernel.org/

Linux Hamradio Applications and Utilities Homepage

http://radio.linux.org.au/

Filewatcher

http://filewatcher.org/cat/Ham_Radio.html

Bester Tracking Systems

http://www.bester.com/

StarOffice

http://www.stardivision.de/

APRS

http://www.aprs.net/

http://www.aprs.org/

Eagle Platinenlayoutsoftware

http://www.cadsoft.de/

LinRADIO

http://www.linradio.com/

Inprise/Borland

http://www.borland.com/about/press/1999/linuxdev.html

Vmware

http://www.vmware.com/


Mailingliste:

linux-hams@vger.rutgers.edu


Literatur:

[1] Hajo Dezelski, DL1DSZ, Von Linux über den Amateurfunk zum WWW(W),

CQ DL 11/1995, S.805-807, CQ DL 12/1995, S.888-890, CQ DL 1/1996,

S.26-27